Fachbereich 7

Sprach- und Literaturwissenschaft


Navigation und Suche der Universität Osnabrück


Hauptinhalt

Topinformationen

Forschungsprojekte - Prof. Dr. Susanne Schlünder

Laufende Forschungsprojekte

Affektökonomien in der spanischen Literatur des 18. Jahrhunderts

Der Beitrag „Figuren spanischer Affektökonomien im 18. Jahrhundert: Petrarkistische Galanterie und sentimentalismo ilustrado“ (erscheint in: Affektökonomien. Konzepte und Kodierungen im 18. und 19. Jahrhundert (Schlünder/ Stahl), 2018, Fink Verlag) konturiert eine Forschungsperspektive, die den Ausgangspunkt eines umfangreicheren Vorhabens zur spanischen Affektgeschichte des 18. Jahrhunderts darstellt.
Der Aufsatz geht den Wechselbezügen zwischen zeitgenössischem ökonomischem Denken und Literarisierung von Affekten nach und kommt zu dem Befund, dass ein Spezifikum der Empfindsamkeit in Spanien darin besteht, dass diese – anders als im modellbildenden englischen Sentimentalismus – zunächst nicht in Opposition zu Prinzipien von Wirtschaftlichkeit gedacht wird, sondern vielmehr in diese eingepasst wird. Dabei lässt sich anhand der Analyse von Geschlechterverhältnissen in spätbarocker und aufklärerischer Lyrik, im sainete, aber auch in neoklassischem Drama und comedia lacrimosa ein Spannungsfeld aufzeigen, das von gegenläufigen ökonomischen Vorstellungen wie vormodern-petrarkistischer Abundanz und Verschwendung (Lobo) aber auch von Verknappung und Haushaltung (ebenfalls Lobo), von physiokratischen Zirkulationsmodellen (Cruz) und modernen Regulationsmechanismen und Rationalisierungsregimen (Moratín d.Ä., Jovellanos, Moratín d.J.) bestimmt wird.
Trotz der Referenzen auf unterschiedliche ökonomische Theorien, verweisen die affektökonomischen Gestaltungen auf ein für Spanien spezifisches ökonomisches Denken, das der politischen Theorie der Spätscholastik verhaftet ist und das für die im einzelnen divergierenden wirtschaftspolitischen Entwürfe des 18. Jahrhunderts ein organologisches, am Konzept des corpus mysticum ausgerichtetes Gesellschaftsbild verbindlich macht. Die besondere christlich-religiöse Färbung des ökonomischen Denkens in Spanien fordert dabei jene Unterordnung des Selbstinteresses des Einzelnen unter das Wohl der Gemeinschaft ein, welche die literarischen Entwürfe, allen voran das didaktisierende Theater der Spätaufklärung, zur Anschauung bringt.
Im Verlauf der bisherigen Untersuchung haben sich Desiderate und Forschungsfragen ergeben, denen im Rahmen eines Vorhabens nachgegangen werden soll, das ‚Gestalt und Wirkungsweisen von Affektökonomien in der Literatur des spanischen 18. Jahrhunderts’ systematisch erforschen will und (a) nach einer spezifisch spanischen Konzeption von Eigenliebe und (ökonomischem) Selbstinteresse sowie dem Zusammenhang von Selbstinteresse und christlich kodierter caritas fragt und dabei (b) biopolitische Zugriffe unter affektökonomischer Perspektive erschließen will, um die Spezifik des spanischen Sentimentalismus, sein viel diskutiertes Ausbleiben bzw. seine Retardierung, zu konturieren.

Wissenskonfigurationen und -transfers in transatlantischer Perspektive: Spanien und Hispanoamerika im 18. Jahrhundert

Simposio
Configuraciones y transferencias de la modernidad ilustrada (s. XVIII) entre España y América

Susanne Schlünder/Rolando Carrasco (Universidad de Osnabrück)

La sección busca abordar el estudio de la modernidad ilustrada (s. XVIII) entre España y América, atendiendo al análisis de tres ejes distintivos dentro de su complejo proceso de configuración y transferencia en el contexto transatlántico: 1. Configuraciones epistemológicas y formación del saber dieciochesco: En relación con este primer eje de discusión nos interesa abordar el proceso de configuración epistemológica, circulación y recepción, así como los mecanismos de control del saber dieciochesco, en campos diversos, tales como: científico, teológico, biomédico, económico o educativo, entre otros. Algunas de sus posibles manifestaciones podrán ser la discusión sobre fuentes o tradiciones (indígenas, orales, por ejemplo) habitualmente excluidas o censuradas por la modernidad ilustrada; así como mediante el análisis de dispositivos de organización del saber (enciclopedias, diccionarios, etc.); libros, impresos o prácticas de lectura en contextos comparados entre España y América. 2. Actores, redes y dinámicas de transferencia del saber ilustrado: Interesa abordar especialmente el aporte de ilustrados criollos y españoles peninsulares, caracterizados por su movilidad entre mundos, destacando su aporte a la literatura del siglo XVIII (por ejemplo, mediante la narrativa de viajes, ensayo, teatro, historias, etc.), tales como los ilustrados peruanos Pablo de Olavide y José Eusebio Llano Zapata en España, los españoles Jorge Juan y Antonio de Ulloa en la América Meridional, o los jesuitas españoles expulsos en 1767, entre otros. Por último, incluimos las formas y espacios de sociabilidad del saber ilustrado mediante “tertulias” o “sociedades patrióticas” en la constitución de redes del saber. 3. Biopolíticas del poder en el discurso de la Ilustración: En esta dimensión final interesa abordar el proceso de constitución como las prácticas asociadas al discurso biopolítico y de gobernamentalidad (Foucault), por ejemplo, en el ordenamiento y disciplinamiento de la sociedad virreinal americana (Perú, Nueva Granada); el alcance utópico de las colonias de Andalucía y Sierra Morena en la España de Carlos III; o en expresiones literarias como el teatro neoclásico, con el objeto de advertir los vínculos entre ciencia, economía, medicina y literatura en tiempos del reformismo borbónico.

Detaillierter Überblick über Forschungsperspektiven des Lehrstuhls

Langjährig verfolgte Forschungsschwerpunkte liegen in der französischen, spanischen und lateinamerikanischen Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft des 18. bis 20./21. Jahrhunderts und verbinden kulturtheoretische, medienästhetische, narratologische und epistemologische Fragestellungen.
In den vergangenen Jahren realisierte Vorträge und Publikationen besitzen folgende Schwerpunktsetzungen: 1. zur Poetologie französischer, spanischer und hispanoamerikanischer Gegenwartsromane unter besonderer Berücksichtigung medienästhetischer und narratologischer Aspekte (Véronique Olmi, Jean Echenoz, Jean-Philippe Toussaint, Tanguy Viel, David Trueba, Alberto Fuguet, Edmundo Paz Soldán, Roberto Bolaño, Franz Galich); 2. zur spanischen und hispanoamerikanischen Aufklärung und Romantik (Cortes de Cádiz, Nicolás Fernández de Moratín, Gerardo Lobo, Francisco Goya, Pablo de Olavide, Gertrudis Gómez de Avellaneda, Rosario Weiss Zorrilla, die Erdbeben von Lima/Lissabon im Vergleich); 3. zu Aspekten der Medienreflexion (Funktionen von Medienreflexion in aktuellen spanischen und hispanoamerikanischen Romanen; postdiktatoriale Schreibstrategien; 4. zum Zusammenhang von Literatur und Ökonomie (Ökonomie und Sentimentalismus; Ökonomie, Muße und Liebesdiskurse); 5. literarische Verarbeitung von Zeugenschaft (Semprún, Cixous).
Neuere Beiträge sind dabei in zweierlei Hinsicht mit langjährig verfolgten Zielsetzungen verbunden: Den Untersuchungen zum 18. Jahrhundert in Spanien geht es darum, den häufig unterschätzten Beitrag Spaniens zur europäischen Moderne zu akzentuieren und dabei auch transatlantische Konstellationen zu berücksichtigen; die Habilitationsschrift "Wahrnehmungsdispositive. Modellierung und Medialisierung von Wirklichkeit bei Jean Echenoz und Jean-Philippe Toussaint" verbindet medientheoretische und -ästhetische Fragestellungen unter einer narratologischen Perspektive und verfolgt drei Zielsetzungen: erstens einen Beitrag zur Poetologie des französischen Gegenwartsromans der Jahrtausendwende leisten, zweitens den engen Wechselbezug dieser Romane zu den Wissensbeständen einer zunehmend komplexer werdenden Mediengesellschaft herauszustellen und drittens in der konkreten Analyse narratologische Kategorien konsistent zu machen, die es erlauben, den erzählerischen Niederschlag literarischer Medienreflexion systematisch zu erfassen.

Komplementär zu den Studien im Bereich der aktuellen französischen Literatur werden ähnlich gelagerte Fragestellungen mit Bezug auf die gegenwärtige Erzählliteratur in Spanien und Hispanoamerika verfolgt. Eine in diesem Sinne kulturvergleichende Perspektive schlägt sich in dem mit M. Chihaia publizierten Sammelband nieder, der auf die kulturelle Spezifität von Medienreflexion im spanischen Gegenwartsroman fokussiert und zeigt, in welchem Maße der Zusammenhang von Medien und Erinnerung in den untersuchten Texten zentral ist. Neuere Artikel zu Alberto Fuguet, Edmundo Paz Soldán und David Trueba fragen nach dem Zusammenhang literarischer Medienreflexion und Globalisierung, der auch in dem mit Raquel Macciuci herausgegebenen Sammelband zu 'Literatura y técnica' im Zentrum steht.
Der langjährige Schwerpunkt zur spanischen Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts ist eng mit den Forschungen des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück verbunden. Jüngere Vorträge und Artikel zu Kriminalisierungsdispositiven, zu Ökonomie und Muße und zu Wechselbeziehungen zwischen Spanien und Hispanoamerika sind hier ebenso anzusiedeln wie die Sektion "Affektökonomien im 18. und 19. Jahrhundert (Frankreich/ Spanien)" (mit Andrea Stahl, 2015, Romanistentag Mannheim), die eine kulturvergleichende Perspektive verfolgte und deren Erträge in Publikationsform (Fink 2018) vorliegen. Fortgeführt werden konnten einige der Diskussionen in einer mit A. Gelz und J.H. Witthaus organisierten Sektion zu Schwellenphänomenen des 18. Jahrhunderts auf der Verbandstagung der Asociación Internacional de Hispanistas (Münster 2016, Publikation i.V. de Gruyter 2018).
Im Rahmen der neu konturierten Forschungsperspektive zu 'Mensch- und Umweltnetzwerken' (Profillinie an der Universität Osnabrück; Sprecherin gemeinsam mit C. Pahl-Wostl u. M. Franz) wird der Fokus auf die Erforschung kultureller Semantik gesellschaftlichen Umweltverhältnisse gelegt. Anhand der Analyse von Umweltnarrativen soll es darum gehen, Ausdrucksformen kollektiver Wirklichkeitserzeugung, Sinnstiftung und Verständigung sowie deren institutionelle Rahmenbedingungen herauszuarbeiten. Ziel der Analyse insbesondere auch historischer Umweltnarrative ist es dabei, kulturelle Sinnbildungsmuster und zugrundeliegende Modellierungen von Welt im diachronen Wandel zu bestimmen. Erste Diskussionen im internationalen Kontext wurden im Rahmen der Sektion "Configuraciones y transferencias de saberes en la modernidad ilustrada: España y América en el siglo XVIII" des IV Congreso Internacional de Literatura y Cultura Españolas Contemporáneas, La Plata (mit R. Carrasco) geführt.
Die Forschungsinteressen zu Hispanoamerika wurden im Rahmen des neu gegründeten Costa Rica-Forschungszentrums an der Universität Osnabrück systematisch erweitert. In der Entwicklung befindet sich ein Forschungsprojekt zu aktuellen Entwicklungen der zentralamerikanischen Narrativik nach dem Ende der bewaffneten internen Konflikte. Hier lässt sich ein – in den jeweiligen Literaturen unterschiedlich ausgeprägter – Paradigmenwechsel feststellen, der mit einer Abkehr der bislang dominanten Erzähltradition der Testimonialliteratur einhergeht. Projektpartner sind Prof. Dr. Francisco Rodriguez Cascante, Prof. Dr. Magdalena Vázquez Vargas, Prof. Dr. Werner Mackenbach, Universidad de Costa Rica. Inhaltliche Planungen konnten im März d.J. während einer Erasmus+-Gastdozentur in Costa Rica besprochen werden.
Als Beitrag zu diesem Forschungsbereich versteht sich auch die im WS 2014/15 initiierte, jeweils im Wintersemester stattfindende Ringvorlesung "Entre las Américas/ Between the Americas", die Zentralamerika aus interdisziplinärer Sicht als Zwischenraum konturieren will, in dem verschiedene Einfluss- und Machtsphären miteinander konkurrieren, sich aber auch überlagern und miteinander verschmelzen. Namhafte internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beleuchten dabei aus kultur-, literatur-, politik- und rechtswissenschaftlicher Perspektive den Gegenstandsbereich.