Fachbereich 7

Sprach- und Literaturwissenschaft


Navigation und Suche der Universität Osnabrück


Hauptinhalt

Topinformationen

MitarbeiterInnen
Prof. Dr. phil. Susanne Boshammer


Schlagworte Forschungsexpertise



Email:susanne.boshammer@uni-osnabrueck.de
Foto Prof. Dr. phil. Susanne Boshammer
Lehrveranstaltungen
Sommersemester 2024
Wintersemester 2023/24
Lebenslauf

Studium der Philosophie, Neueren und Neuesten Geschichte, Politikwissenschaften in Mainz und Münster

2002 Promotion an der Universität Münster

2002-2009 Oberassistentin am Ethik-Zentrum der Universität Zürich

2009-2013 Assistenzprofessorin für praktische Philosophie an der Universität Bern

seit 2013 Professorin für Praktische Philosophie an der Universität Osnabrück.

Schwerpunkte

Normative Ethik, Angewandte Ethik, Politische Philosophie


Die Moral der zweiten Chance: Zur Philosophie des Verzeihens

Die Erfahrung von Unrecht ist Teil jeder menschlichen Biographie. Im Laufe eines Lebens von durchschnittlicher Dauer wird jeder Mensch an anderen schuldig und erfährt seinerseits Verletzungen durch sie, für die es keine moralische Rechtfertigung gibt. Wie wir mit dieser Erfahrung umgehen, trägt entscheidend zum Gelingen unseres Lebens und Zusammenlebens bei. Denn nicht nur das Unrecht, auch unsere Reaktion darauf kann unser Verhältnis zu uns selbst und unsere Beziehungen zu anderen nachhaltig prägen und schlimmstenfalls ein Leben lang belasten. Doch wie sieht der richtige Umgang mit moralisch falschem Handeln aus?
Eine philosophisch traditionsreiche und psychologisch prominente Antwort auf diese Frage ist in der Alltagsmoral fest verankert. Sie rät uns, den Groll auf den Übeltäter zu überwinden und ihm zu verzeihen. Jeder, so heißt es, hat eine zweite Chance verdient. Dabei gilt das Verzeihen - anders als das Vergessen - als eine bewusste Reaktion auf moralisch signifikante Verletzungen, die wir im Zuge des Zusammenlebens durch unsere Mitmenschen erfahren, und steht im Gegensatz zur Vergeltung oder Rache auf der einen und einer Haltung des (dauerhaften) Verübelns auf der anderen Seite: Wer verzeiht, verzichtet darauf, es der anderen Person mit gleicher Münze heimzuzahlen, und entschließt sich dazu, ihr die Verletzung nicht länger nachzutragen. 
Das klingt friedfertig, großmütig und edel und tatsächlich erfahren Menschen, die ihren Missetäter*innen vergeben, nicht selten Anerkennung und Bewunderung. Doch es gibt auch die gegenteilige Reaktion: Wer zu schnell oder zu oft vergibt, muss sich Kritik gefallen lassen und Zweifel an seiner oder ihrer Selbstachtung und tatsächlich ist es alles andere als klar, unter welchen Bedingungen es tatsächlich moralisch angemessen ist, den Groll gegenüber Unrechttäter*innen zugunsten einer Haltung des Wohlwollens zu überwinden. Gibt es gegebenenfalls "Unverzeihliches", das heißt Taten, die wir nicht verzeihen dürfen?
 

Ethik und Alter

Dass wir Menschen immer älter werden, ist, so sollte man meinen, zunächst mal eine gute Nachricht. Zwar bestimmt nach wie vor der Zufall des Geburtsorts, ob ein Neugeborenes die statistische Aussicht auf 55 Lebensjahre, wie derzeit etwa in Angola, oder 82 Jahre, wie aktuell in Japan, hat. Gleichwohl ist der Anstieg der Lebenserwartung ein seit Jahrzehnten weltweit zu beobachtendes Phänomen, das sich bekanntermaßen unter anderem dem medizinischen Fortschritt verdankt. In Deutschland und anderen Industrienationen macht diese Entwicklung mittlerweile eine grundlegende Veränderung des Biographie-Verständnisses erforderlich: Während wir bis vor kurzem noch daran gewöhnt waren, das Leben gleichsam in drei Etappen zu entwerfen und zu bewältigen – Jugend, Erwachsenenalter/Erwerbstätigkeit und Alter/Ruhestand –, öffnet sich nun mit dem 80. Geburtstag für eine stetig wachsende Zahl von Menschen eine neue Lebensphase, die von Demographen als das ‚vierte Alter’ bezeichnet wird und ganz eigene Herausforderungen für die hochbetagten Einzelnen und ihr soziales Umfeld beinhaltet. 

Tatsächlich stellt die demographische Entwicklung Individuen und Gesellschaft vor immense Aufgaben und wirft eine Vielzahl genuin ethischer und teilweise moraltheoretisch grundlegender Fragen auf. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass der Prozess des Alterns mit Veränderungen einhergeht, die mitentscheidend dafür sind, was wir voneinander fordern und erwarten dürfen: Im hohen Alter verändern sich grundlegende Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten von Personen, und damit eben diejenigen Eigenschaften, auf die sich die unterschiedlichen Moraltheorien in ihrer Begründung von Pflichten und Ansprüchen wesentlich stützen. Was bedeutet das für die gelingende Gestaltung unseres Zusammenlebens in spezifischen Kontexten (etwa dem der Pflege) und wie ist diese Entwicklung angemessen moraltheoretisch zu erfassen und zu berücksichtigen: Wie hilfreich und angemessen sind zentrale Konzepte und Denkfiguren der Ethik (wie etwa das des "autonomen moralischen Subjekts" oder das der für die Rechtfertigung von intervenierenden Handlungen erforderlichen informierten Zustimmung noch), wenn zunehmend große Teile der Bevölkerung faktisch nicht von ihnen erfasst werden? 


Ethik des Helfens

Aus moralischer Perspektive betrachtet hat das Helfen einen guten Ruf: Hilfsbereite Mitmenschen, die die Augen vor der Bedürftigkeit anderer nicht verschließen, die deren Last teilen oder ihre Not lindern, ernten oft Anerkennung, Lob, ja manchmal sogar Bewunderung. Das gilt nicht erst im Fall von Mutter Theresa, sondern auch schon für die Kollegin, die ihr freies Wochenende opfert, um mich beim Umzug zu unterstützen. Jemandem zu helfen, ist gleichsam das Paradigma dessen, was gemeinhin „prosoziales Verhalten“ genannt wird, und damit für manche zugleich das Paradigma für moralisches Verhalten. Dieser Umstand steht in auffälligem Kontrast zur massiven Kritik, die an bestimmten Formen der Hilfe geübt wird – man denke etwa an die Suizidbeihilfe, die Entwicklungshilfe, (einige) Formen der Drogenhilfe etc. Glaubt man diesen KritikerInnen, ist Helfen offenbar nicht immer eine gute Sache. Doch wovon hängt es ab, ob und auf welche Weise wir jemanden helfen dürfen oder nicht? Und was genau bedeutet es eigentlich genau, jemandem zu helfen: Wodurch unterscheiden sich genuine Akte der Hilfe von anderen Formen der Unterstützung oder des Beistands? Wie sieht moralisch verantwortliche Hilfe aus und wem gegenüber sind wir zur Hilfe verpflichtet?


Zustimmung und ihre normative Kraft

Manche Handlungen sind ohne die Zustimmung anderer moralisch unzulässig: Wir müssen um Erlaubnis bitten, bevor wir jemanden küssen, jemandem den Blinddarm entfernen, jemandes Auto benutzen, Ideen aus dem Text einer Kollegin verwenden etc. Stimmt der Betreffende zu, gilt die Handlung als zulässig. Dem Akt der Zustimmung werden darum gleichsam magische Kräfte zugeschrieben: Er verwandelt verbotene Handlungen in erlaubte. Doch wie funktioniert das eigentlich und funktioniert das eigentlich immer? Dass letzteres offenbar nicht gilt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass etwa im Bereich medizinischer Eingriffe die erlaubnisstiftende Zustimmung in der Regel qualifiziert wird: normative Kraft hat sie nur, wenn sie frei und informiert ist, der oder die Betreffende also nicht manipuliert oder getäuscht wird. Es ist allein der „free and informed consent“, der entsprechende Zauberkräfte besitzen soll. Doch wessen Zustimmung zählt jeweils und was bewirkt sie genau? Darf ich meinem Partner erlauben, die SMS in meinem Handy zu lesen oder braucht es dafür auch die Zustimmung der Absender dieser SMS? Reicht meine Zustimmung, um eine hoch riskante Operation an meinem Herzen zu rechtfertigen – oder müssen auch noch andere einwilligen? Was darf ich selbst bestimmen, und heißt Selbstbestimmung, dass ich allein entscheiden darf?

Publikationen

Bücher    

• Die zweite Chance. Warum wir (nicht alles) verzeihen sollten, Hamburg: rowohlt 2020    

• Gruppen, Recht, Gerechtigkeit. Die moralische Begründung der Rechte von Minderheiten, Berlin/New York: de Gruyter 2003 (überarbeitete Fassung der Dissertation, Münster 2002)    

• Halbe – Halbe? Zur Gerechtigkeit der Frauenquote, Münster: LIT-Verlag 1999 (zusammen mit Matthias Kayß)    

Artikel und Beiträge    

• Vergelten – Verstehen – Verzeihen? Begriffliche Klärungen des Umgangs mit Unrecht aus philosophischer Sicht, in: Konfliktdynamik, Jahrgang 12 (2023), Heft 3, S.180-186    

Autonomous Vehicles Require Socio-Political Acceptance — An Empirical and Philosophical Perspective on the Problem of Moral Decision Making(Bergmann, Lasse Tenzin; Schlicht, Larissa; Meixner, Carmen; König, Peter; Pipa, Gordon; Boshammer, Susanne; Stephan, Achim), in: Frontiers in Behavioral Neuroscience, Volume 12, Article 31, 2018, 1-12   

• Politische Verantwortung, moralische Integrität und die Bitte um Verzeihung. Überlegungen zum 'Problem der Schmutzigen Hände', in: Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie/Journal for Ethic and Moral Philosophy, July 2018, S.5-26    

• Was sind moralische Probleme und (wie) kann man sie lösen? In: Johann S. Ach, Kurt Bayertz, Ludwig Siep, Michael Quante (Hg.), Grundkurs Ethik, Bd.1: Grundlagen, 4. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Münster: mentis 2016, S.19-38    

Der assistierte Suizid aus der Perspektive einer Ethik des Helfens, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 65 (2015), S.48-55    

• Frauenquoten und das Problem der Diskriminierung, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, vol. 61, No.5 (2013), S. 835-836    

Respekt vor Personen in der Forschung am Menschen - online-Publikation, Zürich 2011    

Oh weh, dem Land, das Helden braucht - in: NZZ campus, Themenheft: Heldenhaft, November 2010    

Versuch macht klug - in: NZZ campus, Themenheft: Versuche, Mai 2010    

• ‚Bleibe im Lande und wehre Dich täglich‘ - in: NZZ campus, Themenheft: Nach der Revolte, März 2010    

Sportsgeist statt Profilierungsdrang - in: NZZ campus, Themenheft Sport, September 2009    

• Gleichheit und Gerechtigkeit. Ein Würfelspiel, in: Kurt Bayertz, Ludwig Siep, Johann Ach (Hg.), Grundkurs Ethik, Bd.1: Grundlagen, Paderborn: mentis 2008, S.223-232    

Von schmutzigen Händen und reinen Gewissen. Konflikte und Dilemmata als Problem der Ethik, in: Kurt Bayertz, Ludwig Siep, Johann Ach (Hg.), Grundkurs Ethik, Bd.1: Grundlagen, Paderborn: mentis 2008, S.143-161    

• Minderheitenrechte und ihre moralische Begründung, in: V. Steenblock und F. J. Wetz (Hgg.), Kolleg Praktische Philosophie, 4 Bde., Stuttgart: reclam 2008    

• Was ist ein moralisches Problem? Ein Kartenspiel, in: Kurt Bayertz, Ludwig Siep, Johann Ach (Hg.), Grundkurs Ethik, Bd.1: Grundlagen, Paderborn: mentis 2008, S.213-221    

‚Diskriminierung’, in: St. Gosepath, W. Hinsch, B. Rössler (Hgg.), Handbuch für Politische Philosophie und Sozialphilosophie, Berlin/New York: de Gruyter 2008    

‚Gleichberechtigung’, in: St. Gosepath, W. Hinsch, B. Rössler (Hgg.), Handbuch für Politische Philosophie und Sozialphilosophie, Berlin/New York: de Gruyter 2008    

‚Sexismus’, in: St. Gosepath, W. Hinsch, B. Rössler (Hgg.), Handbuch für Politische Philosophie und Sozialphilosophie, Berlin/New York: de Gruyter 2008    

• ‚Solidarität’, in: St. Gosepath, W. Hinsch, B. Rössler (Hgg.), Handbuch für Politische Philosophie und Sozialphilosophie, Berlin/New York: de Gruyter 2008 (mit K. Bayertz)    

• Transplantation und Xenotransplantation. Wie weit sollen wir gehen? Ein Kommentar, in: Ethikkommission der Universität Zürich (Hg.), Ethische Verantwortung in den Wissenschaften, Zürich: Zürcher Hochschulforum 2006, S.83-90    

Rechtliche Gleichheit und kulturelle Differenz, in: E. Angehrn und B. Baertschi, Globale Gerechtigkeit und Weltordnung, Studia Philosophica vol.64/2005, S.143-158    

• Gewaltige Ungleichheit, in: Themenheft Gewalt, Entwürfe. Zeitschrift für Literatur vol. 43/2005, S. 79-82    

• Was heißt gerecht verteilen? In: D. Horster (Hg.), Sozialstaat und Gerechtigkeit, Hannah-Arendt-Lectures 2004, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2005, S. 44-60    

• Selbstbestimmtes Leben – selbstbestimmtes Sterben? In: Schweizerische Ärztezeitung, no.49 (2004), S.2644-2647    

• Von gleichen Rechten in ungleicher Lage, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (hg. von M. Brumlik, J. Habermas et al), Heft 11 (2003), S.1347-1351    

Michael Walzer – oder: Die Tugend der Toleranz und die Politik der Differenz, in: B. Kensmann und L. Schulte-Roling (Hgg.), Mehr Licht! Politisches Philosophieren von Aristoteles bis Foucault, Münster: LIT-Verlag 2002, S.39-62    

• Ethical Reflections on the Dutch ADCA and IVF Case - in: euro-Ataxia, Newsletter of the European Federation of Hereditary Ataxias, no.22 (2002) S. 16-18    

Was ist soziale Gerechtigkeit?, in: IG Metall (Hg.), Was ist soziale Gerechtigkeit? Schwalbach/Ts. 2002, S.9-36    

Sozialdemokratische Herzenssachen. Zur neuen Grundwertedebatte in der SPD, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (hg. von M. Brumlik, J. Habermas et al.), Heft 06 (2000), S.647-651    

„Der einen Freud', des andern Leid“ – Adam und Evas Streit um die Quote, in: S. Boshammer und M. Kayß (Hgg.), Halbe-Halbe? Zur Gerechtigkeit der Frauenquote, Münster: LIT-Verlag 1999, S.15-32    

• Einleitend: Frauenquoten und die Frage nach der Gerechtigkeit, in: S. Boshammer und M. Kayß (Hgg.), Halbe-Halbe? Zur Gerechtigkeit der Frauenquote, Münster: LIT-Verlag 1999, S.6-14 (mit M. Kayß)    

• The Philosopher´s Guide to the Galaxy of Welfare Theory: Recent English and German Literature on Solidarity and the Welfare Theory, in: Ethical Theory and Moral Practice, vol.1/1998 (mit M. Kayß)    

• Discussing HUGO: The German Debate on the Ethical Implications of the Human Genome Project, in: The Journal of Medicine and Philosophy 23(2)/1998, S.324-333 (mit M. Kayß, C. Runtenberg und J. S. Ach)    

• Auf dem Weg zum gläsernen Menschen? Die Kritik am Projekt zur Erforschung des menschlichen Genoms, in: J. S. Ach et al. (Hgg.): Grenzen des Lebens - Grenzen der Medizin. Ist moralisch erlaubt, was medizinisch machbar ist? Münster: agenda 1997, S.104-120 (mit J. S. Ach, M. Kayß und C. Runtenberg)    

Rezensionen     

Schuldlos schuldig? Rezension zu Marie-Luise Raters, Das moralische Dilemma. Antinomie der praktischen Vernunft? In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 61(1), S. 144-150, Berlin/New York: de Gruyter 2014    

Vorträge, Podcasts und Videos    

Älterwerden. Das Philosophische Radio WDR 5 20.10.2021    

Vergeben und Vergessen? Im Gespräch Deutschlandfunk Kultur 03.04.21    

Geboten? Das Verzeihen Das philosophische Radio WDR 5 04.01.2021    

Rechtfertigung von Strafen_Das philosophische Radio WDR 5 24.07.2020    

Ethik des Helfens Das philosophische Radio WDR 5 17.04.2020    

Die Gedanken sind frei. Wann hat die Meinungsfreiheit ihre Grenzen? Osnabrück, 2020    

Warum wir (nicht alles) verzeihen sollten. SRF Kultur, Zürich, 2020    

Schulnoten, Wettkampf oder Castingshow. Ist Konkurrenzdenken gut oder schlecht? Osnabrück, 2017    

Suizidbeihilfe. Eine Frage der Moral? Osnabrück, 2015    

Moral. Kann ein Krieg gerecht sein? Osnabrück, 2013

Weitere Informationen zu Prof. Dr. Susanne Boshammer
Eingabebereich für weitere Informationen zu Prof. Dr. Susanne Boshammer
Daten ändern